Aus: Rusch, Regina. Zappelhannes
Verlag: Beltz & Gelberg
„Deutsch sagt Frau Wöhler am Unterrichtsbeginn der nächsten Stunde. Und dann wie
erwartet: „Wir schreiben ein Diktat.“
Hannes schraubt schnell seinen Füller auf. Hoffentlich reicht die Tintenpatrone noch.
Vorsichtshalber legt er sich einen Bleistift zurecht. Und ein Radiergummi. Und einen
Anspitzer. Unruhig rutscht Hannes auf seinem Stuhl hin und her.. Diesmal will er nicht trödeln.
Diesmal will er sich beeilen. Er will gut zuhören. Er will genau aufpassen. Er will alles richtig
machen.
Hannes presst seinen Finger um den Füller. Steffie teilt die Diktathefte aus.. Hannes` Füße
scharren auf dem Boden. Sein Herz klopft vor Anspannung. Er starrt auf den Mund von Frau
Wöhler.
„Ich schreibe Euch die Überschrift an die Tafel.“ sagt Frau Wöhler und schreibt. Manchmal
quietscht die Kreide.
Hannes liest.
„Die kleine Saum dabet.“
Hannes stutzt. Er liest noch mal.
„Die kleine Saum dabet.“
„Saum“ murmelt Hannes vor sich hin, „dabet“ murmelt er.
Zum Glück liest Frau Wöhler die Überschrift jetzt laut vor.: „Die kleine Maus badet.“
Hannes atmet auf. Na klar.
Die kleine Maus badet. Eine Saum gibt es schließlich nicht. Hannes schreibt die Überschrift ins
Heft.
Wenn Frau Wöhler diktiert, sieht Hannes sie an. Er verfolgt die Bewegungen ihrer Lippen.
Wenn ihr Mund geschlossen bleibt, heißt das, der Satz ist zu Ende. Dann schreibt Hannes.
Leider bleibt Frau Wöhler nicht vorne am Pult stehen. Sie geht in der Klasse auf und ab. Sie
geht an der Wand entlang. Sie geht vorm Fenster vorbei. Sie geht durch die Tischreihen.
„Am Tümpel warten schon die Freunde der kleinen Maus“ diktiert Frau Wöhler. Hannes dreht
sich nach hinten, damit er Frau Wöhler sehen kann.
„Doppelpunkt“, diktiert Frau Wöhler. Sie macht eine Pause und spricht langsam weiter: „Die
flinke Feldmaus, der scheue Maulwurf und die glitzernde Libelle.“
Oje, denkt Hannes, so viele schwierige Wörter. Er schreibt und schreibt. Die Hand tut ihm weh,
der ganze Arm, so verkrampft hält er den Füller.
Schreibt man „glitzernde“ mit zwei ZZ, mit einem Z oder wohlmöglich mit TZ?
Schon diktiert Frau Wöhler weiter.
„Libelle“ schreibt Hannes, so schnell es geht. Was hat sie eben gesagt?
„Mein Heft ist voll!“ ruft jemand aus der hinteren Reihe. Jemand anderes kichert. Einige
flüstern.
Frau Wöhler diktiert ruhig weiter.
Steffie niest. Sven ruft: „Prosit!“
Hannes sieht nur den Rücken von Frau Wöhler.
Wie soll er dann verstehen, was sie sagt? Verzweifelt starrt Hannes auf ihre Jacke. Sie hat ein
buntes Muster. Verschieden große Karos aus braunen, gelben und weißen Streifen. Im
Nacken ist der Kragen hochgestellt.
Jetzt hustet Sven.
Was sagt Frau Wöhler?
Irgendwo fällt ein Stift auf den Boden. Vor dem Fenster hupt ein Auto. Es flüstert und wispert
um Hannes herum. Es rauscht und dröhnt in seinen Ohren.
Hupen husten scharren reden klappern kichern. Ein Brei von Tönen und Geräuschen. Ein wirrer
Brei von Sätzen. Nur Wortfetzen dringen an sein Ohr.
„Seehose“ hört Hannes. Oder war es „Seerose“?
„Schwimmen“, hört er. Und: „Springt.“ Oder hieß es „Sinkt?“
Hannes reiht die Wörter aneinander, die er versteht. Einen Satz ergeben die Wörter nicht.
Einen Sinn schon gar nicht. Nur einmal, als Frau Wöhler direkt vor Hannes steht und ihn
anschaut, erfasst er, was sie diktiert: „Die kleine Maus trocknet sich mit einem Lindenblatt
ab.“
Dann wendet Frau Wöhler sich wieder um. Vom Schlusssatz kriegt Hannes nur das letzte Wort
mit: „Badefest.“
Was ist das? Ist es schön? Ist es zu Ende? Was hat Frau Wöhler gesagt?
Während Hannes noch krampfhaft überlegt, klappen die anderen ihre Hefte zu. Steffie fängt
an, sie einzusammeln.
„Fertig?“ fragt sie leise, als sie vor Hannes steht. Es klingt nicht mal hämisch. Schnell kritzelt
Hannes wenigstens das Wort „Badefest“ hin.